Romantik Blog
Ein Gastbeitrag von Food-Blogger Richard Kägi
Bären. Dieses charmante Hotel kann nicht anders heissen. Nicht, dass ich in eine Region oder Land gereist bin, in dem die zotteligen Pelztiere frei herumlaufen. Aber dem Berner Wappentier begegnet man in diesem zwei Jahrhunderte alten, liebevoll restaurierten Fachwerkhaus auf Schritt und Tritt. Sei es als Skulptur vor dem Eingang, als Gemälde oder Zeichnung an den Wänden im Inneren, oder auf der Speisekarte. Die Bären sind definitv los, hier in Sugiez, einem kleinen Winzerort am Murtensee.
Gastgeber Dominique Egli ist Vollblut-Gastronomen, der nach einigen Jahren Branchenwechsel in sozialem Umfeld und in einem Comestible-Betrieb zu seiner Bestimmung zurückfanden. Er führt das Hotel mit acht Zimmern, doch seinePräsenz ist dermassen intensiv, man fragt sich, ob er überhaupt jemals das Haus verlässt. «Doch, uns ist es wichtig, auch einmal abschalten zu können, die wunderbare Umgebung zu geniessen, oder befreundete Winzer zu besuchen. Im Moment sind wir sehr gefordert, gutes Personal zu finden wird immer anspruchsvoller. Aber da wir beide über eine immens breite Erfahrung in allen Bereichen der Hotellerie verfügen, können wir kurzfristig jeden Posten mit unserem eigenen Einsatz ersetzen, zum Glück!» Und dass es ihnen dabei auch Freude macht, ist überdeutlich zu sehen und auch zu spüren. Der Empfang ist herzlich, und bis ich das Haus wieder verlasse nach zwei Tagen, werde ich auf das beste umsorgt, verpflegt und untergebracht.
Das Hotel liegt direkt am Broyekanal, die Haltestelle des Kursschiffes nach Neuenburg oder gar nach Biel nur einige Schritte entfernt. Das Schiff ist riesig, es stoppt nur wegen mir und ich geniesse die Fahrt den Kanal entlang in den Neuenburgersee auf dem Vorderdeck. Die Reise ist dermassen entspannend, ich nicke kurz ein und werde in Neuchatel freundlich vom Personal geweckt, bitte aussteigen. Zurück geht es später mit der Bahn, dazwischen reicht es für die rasante, steile Fahrt mit der City-Standseilbahn in die Oberstadt, einen Besuch im Centre Dürrenmatt und im botanischen Garten, beide hoch über dem See gelegen.
Die Terrasse im Bären ist bereits gut besucht, in der Westschweiz beginnt die Apéro-Zeit schon bald einmal nach dem Mittagessen, so kommt es mir zumindest vor. Sympathisch! Pächter Egli legt Wert auf eine grosse Auswahl lokaler Weine, der Mont Vully ist quasi der Hausberg und somit auch die wunderschönen Rebhänge entlang dieses bekannten Ausflugsortes. Am nächsten Tag besuche ich im Nachbardorf Praz das Weingut von Marylène Bovard-Chervet, die zusammen mit ihrem Mann hier im Château de Praz exzellente Weine keltert. Wie manche andere, junge Winzer, welche die elterlichen Betriebe weiterführen, ist ihre Philosophie eine andere, als die ihrer Vorfahren. Qualität kommt strikte vor Quantität, die eher uniformen Chasselas und Pinot Noir Weine von früher, das gehört der Vergangenheit an. Die Produktion wird bewusst klein gehalten, die Auslese ist streng, nur die besten Trauben schaffen es in den Wein.
Die Winzerin hat eine klare Vorstellung, wie ihr Wein in die Flasche kommen soll: So trocken wie möglich und eine Sorte, ein Wein. «Die Nuancen aus jeder Sorte herausspüren, das geht nicht, assembliert man verschiedene Rebsorten. Das ist dann auch für Laien viel verständlicher, auch darum sind unsere Weine so beliebt. Und auch sehr kulinarisch, will heissen, sie passen hervorragend zur Küche in dieser Region».
Das kann der überaus bekannte Gâteau de Vully sein, ein Hefekuchen, der dick mit Rahm begossen wird, aber auch in salzigen Varianten von jedem Bäcker der Region angeboten wird. Oder auch ein Risotto. Wer hätte denn gewusst, dass hier im Umland Risotto-Reis angebaut wird? Und auch für Rhabarber ist die Gegend bekannt, sie gilt als das grösste Anbaugebiet des Frühlingsboten. Aber auch Spargel und Morcheln werden zuhauf auf den Wochenmärkten angeboten, alles regional.
Zurück im Bären werde ich an meinen Platz im rustikal eingerichteten Bistro-Teil geleitet. Was mir gerade viel besser passt, als im elegant-vornehmen Fine-Dining Restaurant des Hotels, das ich mir für einen späteren Besuch – vielleicht in Begleitung – aufspare. Die Auswahl meines Essens lege ich in die kundigen Hände von Küchenchef Frédéric Duvoisin, 13 Gault Millau Punkte soll er haben, ich meine, er hat mehr verdient. Seine Küche orientiert sich an der klassisch französischen, alle Saucen, Fonds und andere Grundzubereitungen sind hier selber gemacht, dazu alles sehr saisonal und auch mit lokalen Produkten gekocht. Die Schnecken von einer Zucht im Nachbardorf serviert er in einer Emulsion aus gartenfrischen Erbsen, nie ass ich bessere dieser oft schnöde übergangenen Tiere. Fisch ist glücklicherweise ein Dauerthema auf der Karte. Berufsfischer Pierre Schaer hält mit seinem Boot an der Landestelle und liefert zurzeit fangfrische Zander und Hechte.
Eine riesige Terrasse hinter dem Hotel wird gerade für Festivitäten wie Hochzeiten und Bankette sommertauglich gemacht, nebenan wurde ein ehemaliger Kiosk von Zentralplatz in Biel, der abgerissen werden sollte, wieder aufgebaut, und fungiert heute als Fumoir.
Ich lasse mir den Wein vom Château de Praz schmecken, kompetent serviert mir Angela, die aufmerksame Fee im Restaurant, Gang um Gang. Mein Blick fällt auf die metallenen Röhren, die seitlich in der Rückbank gegenüber eingelassen sind, aus ihnen lugen die abgewetzten, hölzernen Griffe der Zeitungsklammern hervor. Was die wohl alles gesehen haben, im Laufe der Jahrzehnte?
Müde und glücklich sinke ich später in das überaus bequeme, grosse Bett im geräumigen Zimmer und freue mich über die wunderbare Bettwäsche, etwas, das nicht mehr selbstverständlich ist, in der Hotellerie.
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